In ihrem Regiedebüt ...AND HERE WE ARE! begleitet Schauspielerin Katja Riemann junge Geflüchtete, die in einem Filmtrainingsprogramm lernen, ihre Welt in Bildern zu erzählen. Was ihr in Bezug auf Flucht, Migration und die Rolle von Storytelling besonders am Herzen liegt, erzählt sie in diesem Kommentar.
Im Sommer 2020 recherchierte ich im Camp Vial auf Chios, im Camp Moria auf Lesbos und auf den Straßen Athens zur Situation Geflüchteter, dabei begegnete mir die NGO ‚ReFOCUS Media Labs‘, die sich 2018 als eine Filmschule gründete, um in Moria junge Geflüchtete in Sachen Film zu unterrichten. Im November kehrte ich zurück, um über sie einen Dokumentarfilm zu drehen.
Wenn man an Geflüchtetenlager denkt, stellt sich schnell das Bild der mit Drohnen aus der Luft fotografierten, scheinbar endlosen Reihen der weißen UNHCR oder Rote Kreuz Zelte ein. Die Perspektive allein ist bereits herablassend oder nahezu hegemonial. Wir schauen herab auf einen Zustand, oft als Elend benannt, begleitet von Kommentaren, in denen Zahlen zentral sind. Die dort Lebenden werden zusammengefasst als Flüchtlinge, ein Wort, das so in den Genfer Konventionen von 1954 verankert wurde. Ein bizarres deutsches Wort, finde ich, durch die Verniedlichung am Ende, wie bei einem Schmetterling. Oder Findling. Die Zusammenfassung entzieht den Menschen selbst ihre Nationalität. Egal, ob aus Syrien, Jemen, Irak, Afghanistan, Kongo oder Burundi stammend, man wurde durch das Betreten des Areals, zum Geflüchteten - der Definition des Volkes dieser Parallelstädte.
Mich interessiert es, diese Definition, die Muster, die unwissenden Vorbehalte aufzubrechen und unmittelbar und unvoreingenommen auf die Situation zu schauen. Um die lösungsorientierte Betrachtungsweise zur Seite zu schieben, und überhaupt einmal hinzusehen, zu lernen und zu erfahren von dem Leben, das sich dort ereignet. Erst wenn man etwas weiß, kann man vielleicht handeln. Oder sich der Ratlosigkeit hingeben.
Im Storytelling über humanitäre Themen steht für mich das Konkrete im Vordergrund, denn das kann man auch dann verstehen, wenn man niemals ein Camp betreten hat, weil die Geschichten die Vorstellung dazu liefern, weil sich dadurch die Perspektive ändert und sich nicht von vornherein die Augenhöhe verschiebt.
Als Filmemacher*innen sind wir dem Geschichten-Erzählen verpflichtet, nicht dem Predigen. Wenn sich dann bei unserem Publikum ein Gefühl oder ein Gedanke einstellt, das oder der vielleicht vorher so noch nicht gefühlt oder gedacht wurde, dann ist das, meiner Meinung nach, der erste Schritt für einen Erkenntnisgewinn, der im besten Fall sogar zum Handeln führen kann.
Katja Riemann, Juli 2021.