Zuhören statt einfach nur draufhalten
Der Filmemacher Joris Postema wollte mit seiner Doku “Stop Filming us” das Leben in Goma, einer Großstadt in der DR Kongo darstellen. Im Anschluss an die Filmpremiere in Goma entfacht sich eine hitzige Diskussionen im Publikum. Sollte ein weißes, europäisches Filmteam diese Geschichten erzählen? Die kongolesische Filmemacherin Bernadette Vivuya nimmt sich gemeinsam mit dem ruandischen Filmemacher Kagoma Ya Twahirwa das Filmmaterial vor und schneidet daraus einen neuen Film: Stop Filming Us But Listen. Stefanie Groth hat mit beiden über die Herausforderung gesprochen, den kolonialen Blick zu durchbrechen.
Wie ist es ihnen beiden gelungen, mit den gleichen Bildern einen Film zu erstellen, der ihren Standpunkt besser widerspiegelt?
Kagoma: Das war nicht einfach! Wir mussten Tonnen von Filmmaterial durchgehen, auf das wir keinerlei Einfluss hatten. Der Einfluss von Joris auf den gesamten Film war sehr schwer zu reduzieren. Wir hatten oft das Gefühl, in seine Erzählung und Perspektive zurückzufallen, und das hat uns sehr frustriert. Ich habe den Film wieder und wieder gesehen, um seine narrativen Muster besser zu erkennen und so zu vermeiden, sie zu reproduzieren.
Bernadette: Wir haben zudem einige Archivbilder verwendet, um tiefer zu graben und mehr Licht auf das Thema Repräsentation zu werfen. Das ist wichtig, um unsere Botschaft klar zu machen, dass wir uns mit der Konstruktion des kolonialen Blicks auseinandersetzen und uns die Konsequenzen, die dieser bis heute bewirkt, bewusst machen müssen.
Stop Filming Us, But Listen
Bernadette Vivuya, Kagoma Ya Twahirwa | CD, NL | 2022 | 72 Min. | OmeU
Next Screening:
08.02. | 19:00 | City Kino Wedding
Eine Frau hält sich einen Schal vor das Gesicht – sie will nicht gefilmt werden. Doch die Kameras wenden den Blick nicht ab. Die Szene stammt aus dem Dokumentarfilm eines niederländischen Filmteams. Sie wollen das Leben in Goma, einer Großstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, darstellen. Doch sind sie überhaupt die Richtigen, um diese Geschichte zu erzählen? Sollten sie besser aufhören zu filmen? Eine Diskussion entspannt sich. Die kongolesische Filmemacherin und Journalistin Bernadette Vivuya entscheidet sich gemeinsam mit dem Filmemacher Kagoma Ya Twahirwa dazu, das Filmmaterial, gedreht aus westlicher Perspektive, neu zu schneiden und um die kongolesische Perspektive zu erweitern. Lässt sich so der koloniale Blick auflösen?
Ist es überhaupt legitim, dass jemand anderes als diejenigen, deren Geschichte und Lebensbedingungen bis heute massiv von (Post-)Kolonialismus beeinflusst werden, diese Geschichten erzählt?
B: Legitim oder nicht, das Problem für mich ist nicht die Tatsache, dass westliche Regisseure Filme über die Region machen. Das Problem ist, dass es eine Verteilung der Produktionsmittel gibt, die es nicht zulässt, dass die Sichtweise derer, die von der Geschichte zuerst betroffen sind, gehört wird. Mich stört der Mangel an Standpunkten. Es liegt mir fern, die vielen Probleme zu leugnen, mit denen wir konfrontiert sind; Armut, Unsicherheit usw. Aber ich möchte, dass auch die kongolesische Geschichte und unsere Bemühungen um die Verbesserung des täglichen Lebens unserer Gemeinschaft berücksichtigt werden.
K: Ich denke, dass niemand das Monopol auf irgendeine Geschichte beanspruchen kann oder sollte. Es reicht nicht aus, aus dem globalen Süden zu kommen, um Geschichten rund um den Kolonialismus gerecht werden zu können. Die Herangehensweise und der Prozess sind ebenso wichtig wie der Kontext und die Intention. Ich glaube, dass es für diejenigen, die aus Kolonialmächten kommen, nicht unmöglich ist, die richtigen Absichten und den richtigen Ansatz zu haben.
Welche Möglichkeiten haben sie als afrikanische Filmemacher Dokumentarfilme zu realisieren?
K: Es ist überhaupt nicht einfach. Selbst wenn Sie einen Produzenten finden, sind sie nicht bereit dich etwas anderes ausprobieren zu lassen, dass ihnen nicht vertraut ist. Sie müssen sich anpassen, um Zugang zu Fördermitteln zu erhalten.
B: Aber die Situation ändert sich. Lokale Initiativen unterstützen die Filmemacher. Das tut zum Beispiel das künstlerische Schaffenszentrum Yole!Africa. Diese in Goma gegründete Organisation begleitet uns, indem sie uns ausbildet, uns Zugang zu Ausrüstung verschafft und uns den Austausch ermöglicht. Wir brauchen mehr solcher Initiativen.