Wie wichtig die Arbeit unabhängiger Journalist*innen ist, zeigt sich auch in der Anzahl ihrer Feinde: Selten war kritische Berichterstattung so gefährlich wie heute.
Wie steht es weltweit um die Pressefreiheit?
Viele Regierungen und politische Parteien, aber auch Wirtschaftsunternehmen versuchen, kritische Berichterstattung zu unterbinden – auch in Deutschland. Die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende sind weltweit in 70 Prozent der Länder problematisch. Sorgen macht die Sicherheitslage: Abseits von Kriegen wie in der Ukraine sind Recherchen zu Korruption und organisierter Kriminalität das gefährlichste Feld für Journalist*innen. Auch Desinformation ist ein wachsendes Problem: Sie reicht von russischer Staatspropaganda in TV-Sendern wie RT oder Perwy kanal bis zu den „electronic flies“, den saudischen oder algerischen Trollarmeen auf Twitter.
Wo ist das Arbeitsumfeld für Journalist*innen am besten, wo am schlechtesten?
Norwegen belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit zum siebten Mal in Folge den ersten Platz. Erstmals seit langem folgt auf dem zweiten Platz mit Irland ein Land außerhalb Skandinaviens; Platz drei belegt Dänemark. In diesen Ländern können auch kritische Journalist*innen sicher arbeiten – in Irland schützt sie beispielsweise ein neues Gesetz vor missbräuchlichen Klagen. Auf den hintersten Plätzen liegen Vietnam, China und als Schlusslicht – Rang 180 – Nordkorea. Autoritäre Regime haben für unabhängigen Journalismus oft nichts übrig; für sie sind Medienschaffende nur ein Werkzeug der staatlichen Propaganda.
Am 15. August 2021 übernahmen die Taliban in Afghanistan die Macht. Wie ist die Lage nun für Journalist*innen vor Ort?
Die Taliban drohen Medienschaffenden und verfolgen sie, nehmen Reporter*innen fest, verdrängen Journalistinnen aus der Medienlandschaft, zensieren Berichte und durchsuchen Redaktionen. Die Taliban haben große Teile der einst lebendigen Medienlandschaft zerstört. Mehr als die Hälfte der 547 Medien, die 2021 registriert waren, sind nach Angaben der Afghan Independent Journalists Association (AIJA) inzwischen verschwunden. Von den 150 Fernsehsendern arbeiten heute weniger als 70. Von den 307 Radiosendern berichten nur noch 170. Und von den rund 12.000 Journalist*innen, die 2021 noch in Afghanistan arbeiteten, haben mehr als zwei Drittel ihren Beruf aufgegeben.
Vor allem Frauen fehlen in der Medienlandschaft seit der Übernahme der Taliban weitgehend: Mehr als 80 Prozent der afghanischen Journalistinnen mussten ihre Arbeit aufgeben.
Doch auch der Widerstand afghanischer Medienschaffender ist beachtlich: Sie recherchieren trotz schwierigster Bedingungen weiter vor Ort oder informieren die Bevölkerung aus dem Exil.
Wo ist journalistische Arbeit in Deutschland am gefährlichsten?
Ganz klar auf Demonstrationen. Grundsätzlich können unabhängige Journalist*innen in Deutschland frei arbeiten, aber Reporter ohne Grenzen hat eine steigende Zahl an Übergriffen dokumentiert, von 80 im Vorjahr auf 103 im Jahr 2023. Die große Mehrheit, 87 davon, fand in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten statt.
Warum ist Pressefreiheit so wichtig?
Die Freiheit zu informieren und informiert zu werden, ist ein zuverlässiger Gradmesser für die Wahrung der Menschenrechte in einem Land. Denn Informationen sind der erste Schritt zu Veränderungen – deshalb fürchten nicht nur autoritäre Regierungen eine freie und unabhängige Berichterstattung. Wo nicht unabhängig berichtet werden darf und wo Menschen ihre Meinung nicht frei äußern können, werden auch andere Menschenrechte verletzt.
Was kann ich tun?
Jede*r kann die Arbeit unabhängiger Medien unterstützen, indem er oder sie ihre Artikel und Beiträge verbreitet, für guten Journalismus auch mal etwas bezahlt oder sich solidarisch mit inhaftierten Journalist*innen zeigt. Man kann auch an Reporter ohne Grenzen spenden oder für einen kleinen monatlichen Betrag Mitglied werden und damit den Einsatz für die Pressefreiheit stärken – in Deutschland und weltweit.