Schirmherr 2022 : Filippo Grandi
In diesem Jahr dürfen wir niemand geringeren als Filippo Grandi als Schirmherr unseres Human Rights Film Festivals begrüßen. Es ist uns eine Ehre, den Hochkommissar für Flüchtlinge bei den Vereinten Nationen an unserer Seite zu haben. Wer sonst wüsste um den status quo der Menschenrechte weltweit genauer Bescheid als er. Seit sechs Jahren ist Grandi im Amt. Als Flüchtlingskommissar der UN ist er beauftragt sich um den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen zu kümmern. Ein Auftrag der sich leider räumlich nicht begrenzt, sondern an vielen Orten weltweit umgesetzt werden muss.
„Überall auf der Welt werden weiterhin die Rechte von Menschen verletzt, was zu Tod, Verletzung und – für Millionen von Flüchtlingen und Asylsuchenden – Flucht führt. Die Welt darf vor solchen Menschenrechtsverletzungen nicht die Augen verschließen. Festivals wie dieses, wie das Human Rights Film Festival Berlin, helfen dabei, ein Licht auf diese Missstände und die Helden zu werfen, die überall auf der Welt für den Schutz und die Ausweitung der Menschenrechte für alle kämpfen.“
- Filippo Grandi, Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und Schirmherr des Human Rights Film Festival Berlin 2022
Hier in Deutschland und Europa müssen wir nur an unsere Außengrenzen schauen, um das zu begreifen. Dort werden seit Jahren immer wieder rote Linien überschritten, wenn es darum geht Schutzsuchende nicht sich selbst zu überlassen.
Im Februar diesen Jahres schlug das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, Alarm. Man sei zutiefst besorgt über die zunehmende Zahl von Gewalttaten und schweren Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtlinge und Migranten an verschiedenen europäischen Grenzen, von denen mehrere zu tragischen Todesfällen geführt haben. Grandi fand klare Worte für die Situation: „Was an den europäischen Außengrenzen passiert, ist rechtlich und moralisch inakzeptabel und muss aufhören. Der Schutz des menschlichen Lebens, der Menschenrechte und der Würde muss unsere gemeinsame Priorität bleiben.“
Leider nimmt die Zahl der Menschen die auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen sind zu. In diesem Jahr sind laut UN erstmals weltweit mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Bis Ende 2021 war die Zahl der Vertriebenen nach neuen Daten des UNHCR weltweit auf 90 Millionen Menschen gestiegen. Maßgeblich verantwortlich sind die langwierigen Konflikte in Äthiopien, Burkina Faso, Myanmar, Nigeria, Afghanistan und der Demokratischen Republik Kongo. Der Krieg Russlands in der Ukraine hat dieser Dynamik in diesem Jahr nun einen weiteren tragischen Schauplatz hinzugefügt. Auch hier fand Filippo Grandi klare Worte: „In nur sieben Tagen sind eine Million Menschen aus der Ukraine geflohen, entwurzelt durch diesen sinnlosen Krieg. Ich arbeite seit fast 40 Jahren in der Flüchtlingshilfe und selten habe ich einen so schnellen Exodus wie diesen erlebt.“ Grandi hob auch ausdrücklich die „internationale Reaktion auf die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen,“ als „überwältigend positiv“ hervor. „Das Mitgefühl ist lebendig und wir brauchen eine ähnliche Mobilisierung für alle Krisen auf der Welt“, so Grandi.
Mitgefühl entsteht nicht durch Schlagzeilen, die uns die astronomisch hohen Zahlen von Menschen auf der Flucht und Todesopfern vorführen. Mitgefühl entsteht, wenn wir in die Lage versetzt werden nachzuempfinden wie es Menschen ergeht; wenn wir diese Menschen kennenlernen, ihnen nahe kommen und ihre täglichen Kämpfe für Gerechtigkeit, Freiheit, für den Schutz der Umwelt oder eigener Rechte miterleben dürfen. Dokumentarfilme haben die Kraft dieses Mitgefühl zu wecken. Deshalb sind wir dankbar, dass der UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi Schirmherr des 5. Human Rights Film Festival Berlin ist.
GASTBEITRAG
Nicht die Flüchtlinge sind die „Krise”. Es sind die Menschenrechtsverletzungen, die sie zur Flucht zwingen.
Ein Beitrag von Katharina Lumpp, Vertreterin des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen in Deutschland
Die Zahl der Menschen, die gewaltsam aus ihrem Zuhause vertrieben wurden, ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. 2021 war geprägt von fortbestehenden, ungelösten oder erneut aufgeflammten Konflikten wie z.B. in Syrien, Afghanistan, Myanmar, Jemen oder der Demokratischen Republik Kongo. Mit dem Krieg in der Ukraine wurden im Jahr 2022 zudem in kurzer Zeit Millionen von Menschen zur Flucht über internationale Grenzen gezwungen oder sind innerhalb ihres Landes vertrieben.
In all diesen Situationen sind rote Linien überschritten worden. Die systematischen und weitverbreiteten Verletzungen von Menschenrechten und dem Kriegsvölkerrecht haben Flucht und Vertreibung ausgelöst. Wenn Menschen vor Verfolgung und bewaffneten Konflikten fliehen, sind die Herkunftsstaaten oft entweder die Verursacher von Rechtsverletzungen oder sind nicht in der Lage oder nicht willens, die Achtung der Menschenrechte und kriegsvölkerrechtlicher Schutznormen für ihre eigene Bevölkerung zu gewährleisten. Daher bedarf es des internationalen Schutzes durch andere Länder, wenn die bedrohten Menschen ihr Herkunftsland verlassen. Fliehen sie innerhalb der Grenzen des Herkunftslandes, ist oft internationale finanzielle und humanitäre Unterstützung erforderlich.
Im Zuge des Krieges in der Ukraine und der dadurch verursachten Fluchtbewegungen haben wir gesehen, wie die Bundesregierung und die Länder, die Zivilgesellschaft und Privatpersonen durch ehrenamtliches Engagement dazu beigetragen haben, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren oder die humanitäre Not der Vertriebenen in der Ukraine durch Spenden zu lindern.
Die Krisen der Welt enden jedoch nicht mit der Ukraine. Schutzsuchende aus anderen Ländern, die Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatstaaten ausgesetzt sind, bedürfen gleichermaßen des internationalen Schutzes und humanitärer Hilfe. Auch Flüchtlinge aus Afghanistan, Eritrea oder Syrien beispielsweise sind auf unsere Solidarität und Unterstützung angewiesen, um sie vor Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatländern zu schützen. Nicht die Flüchtlinge sind die „Krise“, auch wenn dieses Narrativ teilweise Einzug in den öffentlichen Diskurs hält.
Die Krisen sind die Überschreitungen der roten Linien, indem Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verletzt werden und so Menschen zur Flucht gezwungen sind. Die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Befriedung von Konflikten sind das zentrale Instrument zur Lösung von Fluchtsituationen. Daneben braucht es ein kontinuierliches Bekenntnis zu einem gemeinsamen Wertekanon, der die Verantwortung für den Schutz von Menschen aus anderen Ländern, deren grundlegenden Menschenrechte missachtet werden, annimmt. Dieses Filmfestival leistet einen wichtigen Beitrag dazu, das Verständnis für die Menschenrechtsverletzungen und Konflikte und damit für die Auslöser von Flucht und Vertreibung zu vertiefen.