Interview mit Can Dündar – Schirmherr HRFFB 2024

Can Dündar ist Schirmherr des Human Rights Film Festival 2024 und einer der prominentesten türkischsprachigen Journalist*innen und Filmemacher*innen. Als Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet“ berichtete er über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes nach Syrien, woraufhin er wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen in Abwesenheit zu über 27 Jahren Haft verurteilt und ein Mordanschlag auf ihn verübt wurde. Heute lebt und arbeitet er im Exil in Berlin und leitet das Projekt #ÖZGÜRÜZ (dt. „Wir sind frei“). Dündar hat mehrere Bücher geschrieben, vielbeachtete Dokumentarfilme gedreht und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. als Europäischer Journalist des Jahres und Träger des Menschenrechtspreises von Reporter ohne Grenzen.
 

Was hat dich dazu motiviert, die Schirmherrschaft für das Human Rights Film Festival Berlin zu übernehmen? 

Als ich die Einladung erhielt, habe ich mich sehr geehrt gefühlt. Das Festival bietet eine ausgezeichnete Plattform, um die Bemühungen für Menschenrechte und Demokratie aus aller Welt zusammenzubringen und ich bin sehr froh, Teil davon zu sein. Wir alle beobachten derzeit den Niedergang der Demokratie. Selbst in Deutschland wird die Debatte um Sicherheit versus Demokratie geführt. Die meisten Menschen sind bereit, ihre demokratischen Rechte für Sicherheitsfragen zu opfern. Das macht die Demokratie zu einem leichten Ziel. Freiheit und Demokratie verlieren an Boden, deshalb ist es unsere Aufgabe, ihre Bedeutung wieder zu stärken und der Menschlichkeit Vorrang zu geben. Das Motto des Festivals „Choosing Humanity“ ist in diesen Zeiten genau das richtige. 

Die Vielzahl globaler Krisen kann zu einer gewissen Resignation führen. Es gibt jedoch auch zahlreiche positive Beispiele von Menschen, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen. Welchen Beitrag können Filme zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen leisten? 

Das Kino ist ein wichtiges Instrument, um Menschen zu erreichen. Es ermö licht uns, komplexe Themen zu erklären, zu verstehen und Empathie zu erzeugen. Ein wesentliches Problem ist heute das Othering, also die Wahrnehmung anderer Menschen als etwas Getrenntes von einem selbst. Durch den Kontakt mit anderen Menschen, beispielsweise durch Filme, Konferenzen oder Festivals, besteht die Möglichkeit, diese besser zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu finden. Das ist natürlich nicht einfach, aber wir brauchen diese Art des gemeinsamen Verständnisses und der Empathie. Statt Hass mit Hass zu begegnen, müssen wir uns um gegenseitiges Verständnis, Frieden und Solidarität bemühen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jede*r Einzelne etwas bewirken kann. 

Du bist auch Co-Regisseur des Dokumentarfilms „Julian Assange und die dunklen Geheimnisse des Krieges“, der am 5. Oktober auf dem Festival gezeigt wird. Was war deine Motivation, diesen Film zu drehen? 

Der Film ist eine Art Biografie eines Whistleblowers, aber wir wollten mehr als das. Er zeigt die schrecklichen Auswirkungen des Krieges und deckt auf, was Regierungen vor uns verborgen halten wollten. Der Krieg zerstört nicht nur Zivilist*innen, sondern auch die Angreifer*innen, die unter den Folgen des Krieges leiden. Die Regierung hat Whistleblower*innen verfolgt, um ihre Missetaten zu vertuschen. Unsere Aufgabe ist es, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das ist die Macht des Films, das ist die Macht des Dokumentarfilms und des Kinos. Und deshalb ist es heute so wichtig, unabhängige Filmregisseur*innen, Produzent*innen und Festivals zu haben. Filme können Menschen helfen, zu verstehen. Und sie können helfen, Empathie zu erzeugen.

Samstag, 05. Oktober | 19 Uhr | Kino in der KulturBrauerei

Mit Unterstützung der Deutschen Welle (DW) und Reporter ohne Grenzen zeigt das HRFFB "Guardians of Truth: Julian Assange and the Dark Secrets of War". Im Anschluss diskutieren die Regisseur*innen Can Dündar und Sarah Mabrouk sowie weitere Gäst*innen über Gratwanderungen zwischen Pressefreiheit und Politik, Schuld und Versöhnung. Dr. Melinda Crane moderiert das Gespräch.

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12. SEPTEMBER 2024